Sieg im Kampf um Menschenrechte: Sea-Watch 4 frei, Sea-Watch 3 mit sicherem Hafen!

Von Berthold Engelke


Aus Newsletter: Sea-Watch e.V. von Donnerstag, 4. März 2021

Foto: Selene Magnolia

in den letzten Tagen überschlagen sich die Ereignisse im zentralen Mittelmeer. Während wir am Dienstag noch angespannt auf die Zuweisung eines sicheren Hafens für unsere 363 Gäste an Bord der Sea-Watch 3 warteten, ereilten uns großartige Nachrichten: Unsere Sea-Watch 4, die letztes Jahr in ihrem ersten Einsatz über 350 Menschen aus Seenot rettete und anschließend von den italienischen Behörden festgesetzt wurde, ist frei!

Nach knapp sechs Monaten des Wartens hob das Verwaltungsgericht in Palermo die Festsetzung vorläufig auf. Somit kann das Schiff bald ins zentrale Mittelmeer zurückkehren, um all jenen beizustehen, die aufgrund der unmenschlichen europäischen Grenzpolitik ihr Leben riskieren müssen.

Als Gründe für die Festsetzung der Sea-Watch 4 im September nannten die italienischen Behörden nach einer 11-stündigen Inspektion unter anderem, dass das Schiff zu viele Rettungswesten an Bord habe sowie dass das Abwassersystem nicht für die Anzahl möglicher geretteter Personen ausgelegt sei. Entgegen diesen abstrusen Anschuldigungen bestätigten die deutschen Behörden uns jedoch wiederholt, dass das Rettungsschiff alle Sicherheitsvorgaben des deutschen Flaggenstaates erfüllt. Bereits Ende Dezember hatte das regionale Verwaltungsgericht Palermo den Fall an den Europäischen Gerichtshof verwiesen, der die Anwendung der europäischen Richtlinie zur Hafenstaatkontrolle auf humanitäre Schiffe nun grundsätzlich prüfen soll.

In seinem Urteil hat das Verwaltungsgericht Palermo bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs die Festsetzung vorläufig aufgehoben. Die Richterin stellte klar, dass die Sicherheit der Schiffe durch den Flaggenstaat und den*die Schiffskapitän*in gewährleistet ist. Somit werden unsere beiden Schiffe – sowohl die Sea-Watch 4 als auch die Sea-Watch 3 – wieder im zentralen Mittelmeer operieren können!

Diese Entscheidung macht Hoffnung, aber sie kommt für viele Menschen, die die gefährliche Reise über das Mittelmeer in den letzten Monaten antreten mussten, zu spät. 2021 sind bereits dreimal so viele Menschen im zentralen Mittelmeer ertrunken, wie das Jahr Tage hat.

Wir werten die Entscheidung als wichtigen Etappensieg für die zivile Flotte und werden nun vor dem Europäischen Gerichtshof weiter dafür kämpfen, dass nicht nur unsere, sondern alle zivilen Rettungsschiffe in Zukunft nicht mehr unrechtmäßig blockiert werden.

Nach Tagen des Wartens konnten gestern am späten Abend auch die Ersten der 363 Gäste an Bord der Sea-Watch 3 unser Schiff endlich verlassen: Die italienischen Behörden hatten zuvor Augusta, Sizilien, zur Anlandung zugewiesen. Unter unseren Gästen sind 47 Frauen, einige darunter schwanger. Ein Drittel sind Minderjährige, davon 120 ohne Begleitung. Wir sind mehr als erleichtert und freuen uns, dass die letzten unserer Gäste noch im Laufe des heutigen Tages an Land dürfen sollen.

Die letzten Tage stellen einen Hoffnungsschimmer für uns und alle dar, die mit uns zusammen für die Verteidigung der Menschenrechte einstehen – wir danken all unseren Unterstützer*innen für ihren Rückhalt, ohne den unsere Arbeit nicht möglich wäre!

Die Freude über die Freilassung der Sea-Watch 4 und die sichere Ankunft der Sea-Watch 3 wird jedoch getrübt: In Gedanken sind wir bei unseren Freund*innen der IUVENTA10 und ganz besonders bei jenen, gegen die die Staatsanwaltschaft von Trapani gestern Anklage erhoben hat. Die Anschuldigungen der Beihilfe zur illegalen Einwanderung sind längst öffentlich widerlegt, trotzdem drohen ihnen immer noch bis zu 20 Jahre Haft. Sie sollen für die Rettung von über 14.000 Menschen bestraft werden. Doch Seenotrettung ist kein Verbrechen, sondern Gebot der Menschlichkeit.

Informier’ Dich und zeige Solidarität unter www.iuventa10.org.